Vom „verbrennten Wald“ zum anerkannten Samenbestand

Am 7. Juni des Jahres 1858 brach im Privatwald des Zulechnerhofes infolge der Unachtsamkeit eines Hirten ein großer Waldbrand aus,

Die Brandfläche. Die Brandentstehung ist mit einem Kreuz markiert. Bei der gestrichelt markierten Fläche wurde aufgeforstet, der Punkt markiert den Holzkohlemeiler.

Jahresbericht der "wohllöbl. kais. königl. Landes-Forst-Direction" von 1858

Zirbenbestand im oberen Bestandesdrittel

Kontrolle und Zählung der Zapfen für Anerkennung zum Samenbestand im Sommer 2013

Forstliche Wuchsgebiete

dem innerhalb von acht Tagen eine Fläche von ca. 280 Morgen (entspricht ca. 76ha) Wald zum Opfer fielen. Die Brandrichtung verlief nach Süden. Dabei überquerten die Flammen, vom Wind getrieben, die ganze Breite des Gemeindewaldes, übersprangen den Tiefenbach und erfassten jenseits  davon noch ca. 18ha Wald. Der Gemeindewald von Außervillgraten (45ha), Privatwald in Außervillgraten (13ha), Gemeindewald von Tessenberg (14ha) und Privatwald in Panzendorf (4ha) waren vom Brand betroffen.

Die Löschmannschaft bestand aus allen verfügbaren und einsatzfähigen Männern von Außervillgraten und vielen Helfern der Umgebung, die das Feuer in Schranken zu halten versuchten. Frauen und Mädchen von Außervillgraten waren als Essenträger eingesetzt, denn die Löschmaßnahmen hielten während der Branddauer Tag und Nacht an. Erst ein nachfolgender Regen löschte die noch glimmenden Stellen gänzlich.

Nach dem Brand, welcher ein Bodenfeuer war und somit das stehende Holz nicht komplett vernichtete, war die wichtigste Aufgabe wirtschaftlich zu retten, was es noch zu retten gab. So begann man bald aus den noch nicht ganz verbrannten Stämmen Museln (Bloche) auszuformen und errichtete in der Nähe eines Nebengerinnes des Glinzbaches einen Holzkohlenmeiler wo alles noch verwertbare und rentabel zu liefernde Holz zu Holzkohle verarbeitet wurde. Ein Großteil der Holzkohle konnte nur in Italien abgesetzt werden und musste, nachdem man sie in Jutesäcken verpackt im Winter über die bestehenden Heu- und Holztriebriesen zu Tal gebracht hatte, zuerst über den Kreuzberg bei Sexten nach Italien transportiert werden. Aus dem Erlös der Bloche und der Holzkohle (17.000 Gulden- lt. Kirchenchronik aus dem Jahr 1894 – damaliger Wert von 220 Kühen) finanzierte man im Jahre 1862 die neue Orgel der Pfarrkirche von Außervillgraten. In der Kirchenchronik von 1894 wird auch berichtet, dass einige gegen die Verwendung des Geldes zum Orgelbau folgendermaßen argumentierten: „Wenn der Gemeinde das ganze Vermögen bleiben würde, wären alle steuerfrei, d.h. aus den Zinsen des Geldes könnte für die ganze Gemeinde die Steuer bezahlt werden“. Sie mussten jedoch dem Gemeindebeschluss nachgeben und es blieb bei der Finanzierung der Kirchenorgel.

Über die Durchführung der Bestandesbegründung gibt es keine Aufzeichnungen. Sämtliche hier festgehaltenen Informationen stammen aus mündlichen Überlieferungen.

In den folgenden 10-15 Jahren diente die Brandfläche als Weideland. Erst um 1870-1875 entschloss sich die Gemeinde Außervillgraten, auf Drängen der Forstbehörde, die Brandfläche des Gemeindevermögenswaldes wieder in Bestand zu bringen. Die allgemeine Bodenverschlechterung infolge von ausgedehnten Alpenrosenpolstern, Heidekraut- Preiselbeeren- und Reitgrasflächen, Aushagerung von überhöhten Standorten und Bodenverdichtung durch jahrelangen Viehtritt stellte die Aufforstung anfangs vor große Probleme. Um die nötigen Arbeitskräfte aufzubringen, wurden alle Hofbesitzer, je nach Größe des Hofes, zu jährlichen Frondiensten verpflichtet. Die am weitesten entfernten Frondienstarbeiter hatten drei Gehstunden bis in das Aufforstungsgebiet zurückzulegen. Die Bestandesbegründung begann unterhalb des sogenannten Wassergrantes, wobei Forstpflanzen (Fi, Lä, Zi), vermutlich aus einem Sillianer Forstgarten, verwendet wurden. Besonders im unteren Drittel der Aufforstungsfläche wurde auch die Saat praktiziert. Dazu sind Bodenverwundungen (Bermen) mit einer Größe von bis zu 1,5 x 1,5m und in Abständen von 3-5m angelegt und eingesät worden. In diesen großen Saatbermen stellte sich die Jugend manchmal geradezu bürstendicht ein. Die Aufforstung wurde nun Jahr für Jahr bis zum ersten Weltkrieg fortgesetzt und war bereits oberhalb vom Glinzwiesele angelangt, was ca. ¾ der Gesamtfläche entsprach. Im näheren Bereich des Waldrandes stellte sich Naturverjüngung ein. Natürlich waren auch Rückschläge aufgetreten und deshalb jährlich Nachbesserungen erforderlich.

Nach dem ersten Weltkrieg in den Jahren 1920 bis 1926 musste sich der Gemeindewaldaufseher Arbeiter zum Aufforsten suchen, die die Gemeinde bezahlte, um die obere Brandfläche bis zum Glinzzipf aufzuforsten. Frauen, Mädchen und Kinder von Außervillgraten waren wiederum als Essenträger eingesetzt – auch der verstorbene Waldaufseher Josef Schett vlg. Kreuzgrube verrichtete diesen Dienst im Alter von ca. 13 Jahren.

Damit die Wiederbewaldung nicht von vorne herein ein Misserfolg war, musste vor allem das Weidevieh nördlich des Glinzbaches und von Tessenberg durch Abzäunungen ausgesperrt werden. Die Errichtung und ständige Erhaltung des etwa 1.500m langen Zaunes mussten die Weideberechtigten durchführen. Zur Absperrung des Tessenberger Almviehs  errichtete man entlang der KG-Grenze Außervillgraten/Tessenberg einen ca. 200m langen, stabilen Weidezaun, wofür man Bloche bis zu einer Stärke von 40cm verwendete, deren Transport alleine ein Problem gewesen sein muss, da der Zaun ca. 100m oberhalb der Baumgrenze verlief.

Wenn man heute das gesamte damalige Aufforstungsgebiet durchwandert, kann, bei genauerer Beobachtung, der Bestand in drei Gürtel eingeteilt werden:

1) Der untere Streifen ist durch das Vorherrschen der Fichte (120–140jährig) gekennzeichnet. Die Lärche ist in diesem Bereich mit etwa 15-20%, die Zirbe nur vereinzelt vertreten.

2) Im mittleren Streifen (vom Wassergrant bis ca. 100m ober Glinzwiesele) nimmt die Lärche bereits einen Anteil von ca. 30%, die Zirbe einen Anteil von 10-15% ein. Das Bestandesalter liegt hier zwischen 100 und 120 Jahren.

3) Das obere Bestandesdrittel, welches erst nach dem ersten Weltkrieg aufgeforstet wurde, befindet sich heute in einem Alter von ca. 90-100 Jahren. Die durchwegs wuchsfreudige Zirbe beherrscht das Bestandesbild. Die Lärche ist nur mehr mit 10-15%, die Fichte nur mehr vereinzelt vertreten.

Die Bestockung ist auf der gesamten Fläche ausreichend. Die einige Ar großen, während der Aufforstungszeit geduldeten Weideflächen für 3-4 Stk. Großvieh vom Glinzhof, sind verspätet und nur lückig zugewachsen. Die Wiederbewaldung des Privatwaldes Außervillgraten, des Gemeindewaldes Tessenberg und des Privatwaldes Panzendorf erfolgte durch natürlichen Anflug in den vom Weidevieh aufgetretenen Steigen und ist daher lückig und um Jahrzehnte zurück.

Trotz aller Schwierigkeiten haben die damaligen Bürger von Außervillgraten bewiesen, dass durch ihren Fleiß und ihre Ausdauer die Wiederbewaldung der 45ha großen Brandfläche des Gemeindevermögenswaldes voll und ganz erfolgreich war, ebenso wie die Baumartenwahl welche auch nach heutigen forstlichen Gesichtspunkten vorbildlich ist.

Zusammen mit Förster Leiter Konrad habe ich im Sommer 2013, nach Begutachtung mit GWA a.D. Weitlaner Georg, die Aufnahme des Zirbenbestandes im Gemeindewald zu einem anerkannten Samenbestand beantragt. Die beantragte Fläche beträgt ca. 6ha und ermöglicht eine Ernte von forstlichem Pflanzgut österreichischer Herkunft aus dem Wuchsgebiet 1.2 (subkontinentale Inneralpen) Höhenstufe hochsupalpin (1950-2200m). Mittlerweile ist der Bestand vom BFW begutachtet, anerkannt und per Bescheid genehmigt.

Eine Hochlagenaufforstung solchen Umfanges in einer Seehöhe von 1700 – 2050m und aus den Jahren 1875 – 1926 ist in Tirol – und wahrscheinlich weit über die Grenzen Tirols hinaus – einzigartig und kann, selbst heute noch, als Beispiel dienen.

Jedenfalls sehen wir, die heute verantwortlichen Forstorgane, es als eine unserer Verpflichtungen an, die mit hohen öffentlichen Förderungen unterstützen Aufforstungen und Schutzwaldsanierungsprojekte zu einem Erfolg zu führen um  dadurch  der  Öffentlichkeit zu zeigen, dass diese Gelder nutzbringend für alle angelegt werden. Natürlich müssen wir verschiedene Rückschläge mit einkalkulieren, aber ebenso wie vor 80-140 Jahren wird auch in Zukunft nur mit einer unermüdlichen Ausdauer ein durchschlagender Erfolg zu erreichen sein.

Quellen:         

Fö a.D. Hermann Mair (Details und alte Bilder)

Tiroler Landesarchiv – forstlicher Jahresbericht 1858

www.bfw.ac.at (forstliche Wuchsgebiete)

 Vereinigung der Waldaufseher
und Forstwarte Tirols