Der gemeine Wacholder

Ein Weltenbürger unter den Nadelbäumen

Wacholderbeeren

Illustration aus Koehler 1887

Juniperus communis, Feuerbaum, Machandelbaum, Kranewitt, Räucherstrauch oder Krammetsbaum – all dies sind Namen, unter denen der Gemeine Wacholder bekannt ist.

Baum mit Charakter

Der Wacholder steht in enger Verwandtschaft mit der Mittelmeerzypresse und ist als „Zypresse des Nordens“ das am meisten verbreitete Nadelholz der Welt. Der Baum ist eine immergrüne, anspruchslose, sehr anpassungsfähige Pflanze und galt einst als Zauberpflanze und Heilmittel gegen Allerlei.

Der Wacholder liebt trockene und sonnige Standorte und wagt sich mit seinem tiefgreifenden Wurzelsystem in Höhenlagen bis zu 2500 m hinauf. Dabei befindet er sich in guter Nachbarschaft zu Latsche, Schneeheide und Waldkiefer. Er wächst nur sehr langsam und in der Regel erreichen baumförmige Exemplare in 10 Jahren lediglich einen Zuwachs von etwa 1 m. Meist erreicht der Wacholder nur die Wuchshöhe eines Strauches.

Die Entwicklung der kugeligen Beeren, die schwarzblau im Sommer zu sehen sind, zieht sich über drei Jahre hin und somit finden sich stets reife und unreife Früchte zugleich an den Ästen. Die „Wacholderbeeren“ sind eigentlich fleischige Beerenzapfen, die die Samen enthalten. Denn anders als bei anderen Nadelgehölzen verholzen die Zapfen beim Wacholder nicht. Die Blätter des Wacholders sind stachelspitze, schmale Nadeln, die immer zu dritt in Quirlen um den Ast stehen. Der Wacholder wird sehr alt. 500 Jahre sind keine Seltenheit, er soll aber auch 2000 Jahre überstehen können.

Nicht verwechseln sollte man den Gemeinen Wacholder mit dem Sadebaum, der vor allem in den Gebirgen Südeuropas und den Zentral- und Südalpen vorkommt. Die Nadeln des Sadebaums verströmen beim Zerreiben einen unangenehmen Geruch, weshalb dieser auch Stinkwacholder genannt wird. Der Sadebaum ist in allen seinen Teilen stark giftig.

 

Vielgestaltiges Gehölz

Der Wacholder ist ein sehr vielseitig einsetzbares Gehölz. Er findet seine Verwendung in Brauchtum, Volksglaube, Medizin, Küche und als Schnitzholz.

Schon unsere Ahnen schätzten den Wacholder gleich dem Holunder als Heilholz und haben ihn gerne als Schutz- und Wächterstrauch rund um das Haus angepflanzt. In alten Volksweisheiten ist dies erhalten geblieben: „Vor´m Kranewitt geh in die Knie, vor´m Holunder deinen Hut zieh´!“.

Im „Märchen vom Machandelbaum“ kommt der Wacholder sogar bei den Gebrüdern Grimm vor.

Beim Selchen von Gepökeltem können sowohl Wacholderzweige als auch -späne, die beim Drechseln anfallen, zum Einsatz kommen. Das Holz des Wacholders ist weich und elastisch, besitzt aber eine enorme Festigkeit, weshalb es zur Herstellung von Bögen, Pfeifen und knorrigen Spazierstöcken verwendet wird.

 

Große schutzmagische Kraft

Beeren und Zweige enthalten ätherische Öle, die reinigend und desinfizierend wirken. Der Wacholder mit seiner großen schutzmagischen Kraft zählt zu einer der ältesten Räucherpflanzen und kommt beim Räuchern als holziger und frischer Duft zum Einsatz. Zum Räuchern kann man das Holz, die Nadeln und die Beeren nehmen. Man sagt, dass der Wacholder als Tor zur unsichtbaren Welt dient und uns mit Naturwesen und unseren Ahnen in Kontakt bringt.

Wacholderzweige auf Stalltüren sollen als Schutz vor Blitzschlag, Unheil und der Wilden Jagd und ihren Gesellen gelten, als Zweig auf dem Hut bewahrt er den Wanderer vor Müdigkeit und gebietsweise bindet man ihn auch in den Kräuterbuschen zu Maria Himmelfahrt mit ein.

 

Sauerkraut und Gin

Der Wacholder hat auch in der Küche seinen festen Platz. Egal ob mitgekocht als verdauungsfördernde Gewürzbeere beim Sauerkraut, in der Rotweinbeize für den Hirschbraten, in flüssiger Form im Cocktail oder als Verdauungsschnapserl kann man den Wacholder mit seinem unverkennbaren Geschmack genießen.

Durch den hohen Zuckergehalt der Beeren lässt sich der Wacholder auch gut zu Hochprozentigem verarbeiten, denn beim Brennen geht das ätherische Öl ins Destillat über. Der Wacholderschnaps ist in vielen Ländern der Welt bekannt, unter anderem als Gin.

 

Der Wacholder und die Tiere

Der Wacholder hat als Landschafts- und Lebensraumgestalter eine große Bedeutung. Zusammen mit der Rostroten Alpenrose gilt der Wacholder jedoch als „Almunkraut“, da er vom Vieh nicht gefressen wird. Durch seine teppichartige Ausbreitung trägt er zum Weideverlust bei.

Verschiedenste Säugetiere, Vögel und Insekten finden rund um diesen charakteristischen Strauch ihren idealen Lebensraum. Ein typisches Beispiel ist die Wacholderdrossel, die aufgrund ihrer Lieblingsspeise auch Krammetsvogel genannt wird. Sie trägt durch die Verdauung und Ausscheidung der Wacholderbeeren zur Verbreitung dieser anpassungsfähigen Pflanze bei. Im Winter bieten die Beeren zudem eine gute Äsung für Raufußhühner wie Birkhuhn oder Haselhuhn.

 

Gemeiner Wacholder – Baum des Jahres 2017

Die Aktion „Baum des Jahres“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit dem Kuratorium Wald, das die Aufgabe hat, über wichtige oder gefährdete Baumarten und den Wald als Ganzes in seiner ökologischen und ökonomischen Bedeutung für uns Menschen zu informieren.

Mit der Nominierung des Gemeinen Wacholders zum Baum des Jahres 2017 möchte das Kuratorium Wald den besonderen Stellenwert einer naturnahen und extensiven Landnutzung für den Erhalt naturschutzfachlich wertvoller Standorte aufzeigen.

 

Autorenteam:

CARINA KASES

Waldpädagogin, akad. Jagdwirtin, Mama und Jägerin

BIRGIT KLUIBENSCHÄDL

Wald- und Jagdpädagogin, Tiroler Naturführerin und Jägerin

 Vereinigung der Waldaufseher
und Forstwarte Tirols