Dem Geheimnis der Haselfichte auf der Spur

Christian Singer aus Wängle sucht nach „Klanghölzern“

Waldaufseher Christian Singer Foto: Peter Bundschuh

Schält man die Rinde, können andeutungsweise Vertikalrillen entlang des Stammes im Holz auf die außergewöhnliche Qualität einer Haselfichte hinweisen. Foto: Peter Bundschuh

Eine lebende Fichte danach zu beurteilen, ob sie im Laufe ihres Lebens zur „Haselfichte“, also zu einem höchst begehrten Holz für den Instrumentenbau, herangewachsen ist, ist wohl nicht vielen Forstleuten gegeben. Christian Singer aus Wängle besitzt diese Gabe.

 

Dass in Zeiten des Schadholzbedingten Preisverfalls eine Fichte 2.500 Euro, das sind über 1.000 Euro pro Kubikmeter, einbringen kann, muss erst einmal erklärt werden, und genau das kann Waldaufseher und Forstaufsichtsorgan für Lechaschau, Wängle und Oberletzen Christian Singer: „Bei der Haselfichte handelt es sich nicht um eine bestimmte Sorte von Fichten, sondern um eine Fichte mit einer ganz besonderen genetischen Positionierung. Man kann annehmen, dass der Nadelbaum erst im Alter von etwa 40 Jahren zur Haselfichte wird. Ihr Holz zeichnet sich durch seine besondere Eignung zum Bau von Musikinstrumenten aus, es hat gute Resonanzeigenschaften und kommt dem Klang von Saiteninstrumenten besonders entgegen.“ Man könne versuchen aus den Samen einer Haselfichte Nachzüchtungen von „Instrumentenbäumen“ zustande zu bringen, aber bis zu einem eindeutigen Ergebnis könnten halt so etwa 200 Jahre ins Land ziehen. Demnach also ein Mehrgenerationenprojekt mit höchst ungewissem Ausgang.

 

Ein Wängler durch und durch

 

„Ich bin auf dem Bauernhof meiner Eltern in Wängle aufgewachsen, betreibe die Landwirtschaft weiter und ging auch hier in die Volksschule, dann Hauptschule in Reutte. Mir war immer klar, dass ich etwas mit Holz machen will, das war für mich einfach eine Voraussetzung für meine Berufswahl, die fiel dann auf Zimmermannslehre mit bestandener Lehrabschlussprüfung. 1990 ging mein Vorgänger als Waldaufseher in Pension und der Posten wurde ausgeschrieben. Ich bewarb mich, bekam die Stelle und besuchte berufsbegleitend den achtmonatigen Waldaufsehe-Lehrgang in Rotholz, das war 1990.“ Angemerkt sei, dass der Herr Waldaufseher gleichzeitig drei Bürgermeister, drei Substanzverwalter und drei Agrargemeinschaftsobmänner nebst einer ganzen Reihe unterschiedlicher Interessen „unter einen Hut“ zu bringen hat, er muss also nicht nur etwas vom Forst verstehen, sondern auch mit Menschen sehr gut umgehen können.

 

Begegnung mit Kassian Erhard

 

Der 2018 verstorbene Pitztaler Bildhauer, Klangkünstler und Graphiker Kassian Erhart gilt als führender Experte in Beziehung auf das Wissen um die Haselfichte als Klangholz. Der Bergbauernsohn war Obmann des „Forums Haselfichte“ und auf seinen Antrag wurde das Wissen um die Haselfichte als Klangholz 2011 in das Immaterielle Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. In Lechaschau war ein Besinnungsweg geplant und Kassian Erhart wollte für diesen eine Klangskulptur schaffen. Christian: „Er wandte sich an mich als Waldaufseher und wir machten uns auf die Suche nach einem geeigneten Baum. Das Erkennen dieses Klangholzbaumes erlernte ich also aus erster Hand.“ Es ist aber mehr als ein Lernprozess, das „Gespür“ um den Baum hat Christian als „Holzmensch“ von Jugend an mitgebracht. Das Geheimnis um die Haselfichte verlangt nach der Bereitschaft auf den Wald einzugehen und dieser, erklärt Christian Singer, sei niemals gleich, kein Wetter, kein Lichteinfall wäre derselbe, der Wald ändert sich täglich.

 

Die Braut

 

Der von Christian Singer und seinem Waldaufseher-Kollegen Erich Sprenger geschlagene Baum ist nicht nur der wertvollste Baum der Versteigerung und wird deshalb Submissionsbraut genannt, sondern auch das derzeit wertvollste angebotene Nadelholz Tirols. Einen weiteren Stamm erkannte der „Klangholzflüsterer“ als Haselfichte, allerdings mit Schäden im Holz. „Das ist egal“, mailte ein Instrumentenbauer aus London, „da ist noch genug dran.“

Fazit: Auch der Baum ist zu einem guten Preis verkauft und wird abgeholt, wo der Stamm liegt, verrät impuls allerdings nicht.

 

Rätsel um die Haselfichte

 

Viel ist nicht bekannt, noch weniger erwiesen. Es gibt Wälder, in denen diese „Mutation“ einer Fichte etwas häufiger auftritt, warum auch immer, selten bleibt die Haselfichte stets. Christian erklärt: „Die ansonsten eher netzartige Rinde des Fichtenstammes ist andeutungsweise vertikal eher furchig ausgebildet, ein Bild, das sich nass oder trocken und je nach Lichteinfall ändert. Um auf Haselfichte zu schließen, muss man den Baum öfter und unter unterschiedlichen Bedingungen besuchen. Löst man die Rinde, befinden sich meist von oben nach unten verlaufenden Rillen im Holz. Gänzliche Sicherheit bringt aber erst nach dem Fällen die deutlich sichtbare und typische Zackung der bei anderen Fichten glatt verlaufenden Jahresringe und auch hier kann es Schadholz-Enttäuschungen geben. Abgesehen davon ist die Bringung aus meist schwer zugänglichen Altbeständen schwierig.“

 

Text+Fotos: Peter Bundschuh

 

Dieser Bericht stammt aus dem Magazin "impuls" Ausgabe 03/2021

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