Borkenkäfer, Esche und Co - Unsere Antworten auf Fragen der Zukunft

BFW-Praxistag 2018

© Bundesforschungszentrum für Wald

© BFW: Eschentriebsterben: Folgeschädlinge - einige Pilzarten mit hohem Risikopotential (Auszug aus der Präsentation)

© BFW: Klimawandel und Baumarteneignung (Auszug aus der Präsentation)

© BFW: Luftbilder und Orthofotos - Anwendungsmöglichkeiten (Auszug aus der Präsentation)

Entwicklungen wie Globalisierung, Klimawandel oder neue Technologien werden unsere Wälder zunehmend vor Herausforderungen stellen. Im Rahmen des heurigen BFW-Praxistages widmeten sich Fachexpertinnen und -experten des BFW und aus der Praxis drängenden Fragen der Zukunft und diskutierten Antworten für die forstliche Praxis.

 

BFW-Leiter Peter Mayer eröffnete den Praxistag mit einem Blick in die Zukunft und den großen Veränderungen, die uns erwarten: Unsere Bevölkerung wächst und das stetig. Statt der heute 7-8 Mrd. werden im Jahr 2100 voraussichtlich 11 Mrd. Menschen auf der Erde leben. Eine zunehmende Herausforderung werden daher Ressourcenverknappung bzw. die effiziente Ressourcennutzung sein. Neben dem Bevölkerungswachstum nimmt auch die Urbanisierung zu. Im Jahr 2100 werden weltweit 70 % der Bevölkerung in Städten leben, in Österreich sind es bereits heute 66 %. Dass die Digitalisierung voranschreitet, ist sicher, die Frage ist hier lediglich wie schnell. Es ist noch gar nicht so lange her, dass 1992 die ersten SMS verschickt wurden, nun gibt es bereits humanoide Roboter, die in manchen Bereichen Menschen ersetzen. „Wir müssen all diesen Veränderungen offen gegenüberstehen und uns gleichzeitig überlegen, wie wir damit umgehen“, regt Mayer an.

 

Welche Aussichten bieten sich vor diesem Hintergrund für die Zukunft des Waldes und des Forstsektors? Der Forstsektor werde zu vielen dieser künftigen Herausforderungen positive Beiträge liefern können, ist Mayer überzeugt. Auch waldpolitisch finden sich zahlreiche relevante Anknüpfungspunkte, z.B. im aktuellen Regierungsprogramm, seien es die SDGs mit Zielen für eine nachhaltige Entwicklung oder die Überarbeitung der Bodiversitätsstrategie. Mit der österreichischen Waldstrategie 2020+ gibt es zudem eine eigene Strategie für den Forstsektor, die „Österreich als Waldland“ auch in Zukunft umfassend positionieren soll. Der klimafitte Wald ist bereits heute und auch in absehbarer Zukunft ein großes Thema, sowohl hinsichtlich Klimawandelanpassungen des Waldes als auch möglicher Klimaschutzbeiträge. Großes Potenzial für die Branche, ebenso wie für die gesamte Gesellschaft, verspricht zudem der Bereich Bioökonomie, mit dem Ziel einer auf erneuerbaren Ressourcen basierenden Wirtschaft. Das BFW wird angesichts dieser künftigen Herausforderungen als wichtiger Partner wertvolle Beiträge liefern, bekräftigt Mayer. Ziel ist dabei eine entsprechende Aufbereitung, sodass die Praxis Nutzen daraus ziehen kann.

 

Heimische und invasive Schadorganismen setzen unseren Wald unter Druck

Gernot Hoch, Leiter des Instituts für Waldschutz des BFW, weist auf die vielfältigen Auswirkungen von Klimaänderungen auf Schadorganismen hin. Direkte Auswirkungen ergeben sich vor allem durch höhere Temperaturen, die etwa eine schnellere Entwicklung der Insekten und mehrere Generation pro Jahr ermöglichen (Beispiel Borkenkäfer). Indirekte Auswirkungen können veränderte Wechselbeziehungen zwischen Wirtsbäumen und Schadorganismen sein, z.B. durch Trockenheit, die die Abwehrkräfte von Wirtsbäumen schwächt. 2017 war dies bei den Borkenkäferkalamitäten im Norden und Osten Österreichs zu beobachten, vor allem bei Fichte mit Befall durch den Buchdrucker aber auch bei Weißkiefern durch den Sechszähnigen Kiefernborkenkäfer. Und nicht zuletzt kann der Klimawandel die Arealausbreitung von Schadorganismen in neue Gebiete ermöglichen, wie beim mediterranen Pinien-Prozessionsspinner, dessen erste Massenvermehrung in Österreich im Winter 2016/17 am Dobratsch/Kärnten beobachtet wurde.

 

Akute Probleme verursacht daneben die Einschleppung invasiver (neuer) Schadorganismen vor allem durch den globalen Handel. Aktuelle Fälle von europaweiter Relevanz sind etwa die 1000-Canker-Krankheit der Walnuss und Schwarznuss oder die Eichennetzwanze, die derzeit südlich/östlich von Österreich vorkommen. Bekanntes Beispiel ist zudem das Eschentriebsterben, das seit den 1990er Jahren in Europa auftritt. „Seither wissen wir viel darüber, nur die Ausbreitung war noch schneller" fasst Hoch zusammen. Monitoringflächen aus Niederösterreich weisen auf durchwegs zunehmende Befallsintensitäten hin. Hoch betont die Häufigkeit von Wurzelhalsnekrosen und holzzerstörenden Pilzen als Folgeschädlingen (z.B. Hallimasch), welche die Standfestigkeit befallener Eschen stark verringern. Angesichts der Gefahr umstürzender Eschen ist es wichtig, die Arbeits- und Verkehrssicherheit zu beachten und stark geschädigte Eschen, wenn aus diesen Gründen nötig, zu entfernen. In der Hoffnung auf Resistenzentwicklung sei es aber andererseits wichtig, gesunde Eschen möglichst zu erhalten, gibt Hoch zu bedenken.

 

Generelle Empfehlung aus Forstschutzsicht für einen klimafitten Wald ist nach wie vor Diversität, dies fördert natürliche Gegenspieler und senkt das Risiko. Daneben sind besonders Früherkennung bislang nicht beobachteter Schadauftreten und rasche Reaktion bei invasiven Schadorganismen bedeutend, wobei die aufmerksame Mithilfe aller, Waldbewirtschafterinnen sowie Öffentlichkeit, einen wichtigen Beitrag leisten kann.

 

Auswirkungen der neuen EU-Pflanzenschutz-Verordnung auf den Forst

Ab Dezember 2019 wird in Österreich eine neue EU-Pflanzenschutzverordnung in Kraft treten. Gründe für die rechtliche Neuordnung liegen u.a. in der Zunahme des globalen Handels (Verpackungsholz) und des Fernreiseverkehrs (Handgepäck), aber auch in bisherigen Defiziten im Vollzug. „Würde man effektiver an der Grenze kontrollieren, dann würden sich die Schadorganismen nicht ausbreiten", meint Hannes Krehan vom Institut für Waldschutz des BFW. Denn: Ziel auf EU-Ebene muss jedenfalls die Verhinderung der Einschleppung anstatt aufwändiger Bekämpfungsmaßnahmen sein. Das BFW, welches im EU-Vergleich über sehr hohe Qualität und Effizienz bei den Verpackungsholz-Kontrollen verfügt, kann dazu einen Beitrag leisten, indem entsprechende Kompetenzen in Zukunft verstärkt an andere Länder weitervermittelt werden.

 

Welche konkreten Änderungen bringt die neue Kontroll-VO für den Forstbereich? Mitgliedsländer werden erstmals die Möglichkeit haben, ohne Umwege Notmaßnahmen zu ergreifen, falls ein neu eingeschleppter, gefährlicher Schadorganismus entdeckt wird. Außerdem gibt es verpflichtende Vorschriften zur Ausrottung von besonders schädlichen, sogenannten „prioritären Schadorganismen". Krehan rechnet hier mit 5-8 forstlich relevanten Organismen, wie zum Beispiel dem Asiatischen Laubholzbockkäfer. Bei solchen Schadorganismen sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, jährliche Überwachungen sowie im Falle einer Einschleppung, großflächige Schlägerungen von Wirtsbaumarten in den betroffenen Befallsgebieten durchzuführen. Neu sind des Weiteren Vorschriften zu umfassenden Schulungs- und Informationsmaßnahmen auf allen Ebenen. Dies werde insgesamt einen hohen Aufwand bedeuten, gibt Krehan zu bedenken, zum Schutz unserer Wälder seien die Maßnahmen aber natürlich durchaus begrüßenswert.

 

 

 

Genetik und Waldschutz: Ansätze und Lösungen

Welche Möglichkeiten die Genetik für den Waldschutz bietet, veranschaulicht Thomas Geburek, Leiter des Instituts für Waldgenetik des BFW, in seinem Vortrag. Ein erfolgreiches Beispiel findet sich im Zusammenhang mit dem Kastanienrindenkrebs, der in Nordamerika ein enormes Problem darstellt. Hier gibt es mittlerweile einen "Jedermann-Test" für Praktiker, mit dem auf einfache Weise festgestellt werden kann, ob bestimmte Bäume über ein erforderliches resistentes Gen verfügen oder nicht. So einen Test gebe es bei uns für das Eschentriebsterben zwar leider noch nicht, meint Geburek, aber Hoffnung bestehe hier trotzdem.

 

Grund dazu gibt ein groß angelegtes Eschen-Erhaltungsprogramm, das unter Leitung des BFW mit Unterstützung der LWK Österreich durchgeführt wird. Im Rahmen des Projekts „Esche in Not“ wurden über Österreich verteilt über 700 feldresistente Eschen beerntet und daraus etwa 30.000 Sämlinge im Feldversuch angebaut. Nach entsprechender Auslese sollen möglichst resistente Pflanzen vermehrt werden. „Wir gehen davon aus, dass wir voraussichtlich bis 2019 vegetatives Pflanzenmaterial an einige ausgewählte Forstbetriebe abgeben können", ist Geburek zuversichtlich. Eschensamenplantagen wird es frühestens 2020, erste Saatgutproduktion nicht vor 2040 geben. Die Chancen auf Erfolg stehen jedoch ganz gut, da die Erblichkeit der Resistenz bei der Esche glücklicherweise relativ hoch ist.

 

In anderen Fällen, in denen die Erblichkeit gering und damit der Umweltanteil größer ist, sind genetische Lösungen hingegen deutlich weniger erfolgversprechend, wie z.B. bei der Rotfäule. Das gleiche gilt, wenn eine Resistenz durch viele Gene mit jeweils kleinen Effekten bedingt ist, wie z.B. beim Fichtennadelrost. Genetische Ansätze zur Bekämpfung einer Krankheit sind daher zwar oft, aber nicht immer möglich, schränkt Geburek ein und betont, dass zur Lösung von Problemen die Zusammenarbeit des BFW mit Partnern und auch der Bevölkerung wesentlich sei.

 

 

Waldbau im Spannungsfeld Bioökonomie, Klimawandel und Naturschutz

Silvio Schüler, Leiter des Instituts für Waldwachstum und Waldbau des BFW, zeigt zu Beginn seines Vortrags die Herausforderungen auf, vor denen der Waldbau der Zukunft steht. Dabei zu nennen ist die Bioökonomie mit nachwachsenden Energieträgern, die Bevölkerungszunahme mit erhöhtem Holzbedarf sowie neue, unabsehbare technologische Entwicklungen. Daneben sind der Naturschutz mit weltweiten Verlusten an Biodiversität und Waldflächen, ebenso wie sich ändernde Ansprüche an den Wald (z.B. Erholung) zu berücksichtigen. Nicht zuletzt bringt der Klimawandel steigende Temperaturen, Extremereignisse und Unsicherheiten mit sich. „Insgesamt wird es in Österreich zwar viele Regionen geben, die vom Zuwachs profitieren können, gleichzeitig ändert sich aber auch die Standortseignung“, gibt Schüler zum Klimawandel zu bedenken. Rein klimatisch betrachtet, wird die Flächenausdehnung von Fichte, Buche und Kiefer in Österreich zurückgehen. Kritisch kann es auch im Schutzwald werden, wenn Schadholz nicht rechtzeitig entdeckt und aufgearbeitet wird.

 

„Wir haben Dauerbeobachtungs- und Monitoringflächen, mit denen wir versuchen, auf diese Fragen Antworten zu finden", meint Schüler angesichts der künftigen Herausforderungen. In zahlreichen Projekten beschäftigt sich das BFW ganz konkret damit, praxisrelevante Lösungswege für einen zukunftsfitten Waldbau zu erarbeiten. Wichtige Themen dabei sind u.a. klimafitter Wald, optimale Laubholz-Bewirtschaftung, Bestandesumwandlung, gebietsfremde Baumarten und Wissensvermittlungsangebote.

 

Als allgemeine Lösungsansätze empfiehlt Schüler größere Baumartenvielfalt zur Risikostreuung, Beachtung des zukünftigen Klimas bei der Baumartenförderung und bei der Mischung von gebietsfremden Baumarten mit heimischen Baumarten. Zur Bestandesstabilisierung ist die richtige Stammzahlhaltung wichtig, gegebenenfalls sind kürzere Umtriebszeiten zu überlegen. Jedenfalls sollte Naturverjüngung ausgenützt und genetische Vielfalt gefördert werden. Bei allen Maßnahmen ist die Anpassung der Wilddichten ein wichtiger Faktor. Schüler betont zudem, dass es wichtig sei, Waldboden und Wasserhaushalt aktiv bei der Bewirtschaftung zu berücksichtigen und bei sensiblen Standorten auf Kahlschläge zu verzichten. Auch im Schutzwald ist aktives Management gefragt: Voraussetzung dafür ist das Monitoring möglichen Schadholzes, aber auch eine gute Erschließung, die in Gefahrensituationen (Waldbrände, Kalamitäten) zur Eindämmung zur Verfügung stehen.

 

 

 

Was die Fernerkundung der Waldinventur künftig auf den Boden bringt

Was mit Hilfe von Satellitendaten, Luftbildern und Laserscanning im Forstbereich möglich ist, erklärt Klemens Schadauer vom Institut für Waldinventur des BFW. Für forstliche Anwendungen ist hier eine Auflösung von zumindest 10 m sinnvoll, denn dabei können Einzelbäume oft noch erkannt werden. Über das BFW werden alle drei Jahre für ganz Österreich mittels Befliegung Luftbilder gewonnen, die mit 20 cm eine gute Auflösung bieten. Durch Bearbeitung werden daraus 2D-Orthofotos und 3D-Stereomodelle für forstliche Anwendungen erstellt. Wichtige Informationen liefert dabei besonders der Infrarotkanal. Im Gegensatz zu Luftbildern wird bei Laserscanning auch der Boden sichtbar gemacht. Dies ermöglicht ein flächendeckendes Geländemodell für ganz Österreich. Aus diesem können Gebäude- bzw. Vegetationshöhen mit größerer Genauigkeit gemessen werden, als bei der Baumhöhenmessung vom Boden aus.

 

Basierend auf den Luftbilddaten zeichnet das BFW derzeit an einer detaillierten Waldkarte, die 2018 fertiggestellt werden soll. Die Waldkarte soll etwa zur Ableitung von Oberhöhen oder zur Berechnung von Holzvorräten verwendet werden können, erste Ergebnisse versprechen hier eine ähnliche Genauigkeit wie Forsteinrichtungen. Durch den 3-Jahreszyklus der Luftbildaufnahmen sollen auch Veränderungen dokumentiert, also z.B. Nutzungen oder Zuwächse berechnet werden können. In Kooperation mit der TU Wien wird vom BFW zudem an einer Methode gearbeitet, um über digitalisierte Totholzerkennung in Waldkarten Borkenkäferbefallsflächen zu erfassen.

 

Die Fernerkundung wird am BFW als Teil der österreichischen Waldinventur verwendet. Daneben stehen die Daten zudem für alle Interessierten unter Abgeltung einer Bearbeitungsgebühr zur Verfügung. Personenbezogene Daten werden im Sinne des Datenschutzes dabei nicht weitergegeben.

 

 

 

Webtipps:

Forstschutz Aktuell: https://bfw.ac.at/rz/bfwcms.web?dok=10279

Bundesamt für Wald: https://bfw.ac.at/rz/bfwcms.web?dok=4164

Borkenkäfermonitoring: www.borkenkaefer.at

Eschen-Erhaltungsprogramm: http://www.esche-in-not.at

Wald im Klimawandel: https://www.klimafitterwald.at/

BFW-Praxisinformation 38/2015 - Treibhausgasbilanz der österreichischen Holzkette: http://www.bfw.ac.at/webshop/index.php?id_product=315&controller=product

Publikation zu Gastbaumarten (Schuster und Ruhm 2015):

 

Autorin: Judith Schaufler, Bundesforschungszentrum für Wald, Seckendorff-Gudent-Weg 8, 1131 Wien, judith.schaufler))This is for spamprotection, please remove!((@))This is for spamprotection, please remove!((bfw.gv.at

 

 

 

 

 

 Vereinigung der Waldaufseher
und Forstwarte Tirols