BÄUME ERZÄHLEN GESCHICHTE

Dendrochronologie

Zeitungsartikel vom 4. September 2014

Eine Lärche aus dem Almajurtal (Seitental von Kaisers im oberen Lechtal / Außerfern) kann viel erzählen:

geboren: im Jahr 1392 (Kernjahrring)

abgestorben: im Jahr 1999; während der Vegetationsruhe von einer Lawine ins Tal gerissen

stolzes Alter: 608 Jahre

 

Diese genaue Datenerhebung wurde auf der Universität Innsbruck, am Institut für Dendrochronologie unter der Leitung von Prof. Kurt Nicolussi, im Jahre 2014 durchgeführt. WA Florian Perle brachte die interessante Stammscheibe nach Innsbruck und Mag. Thomas Pichler konnte diese Ergebnisse schließlich präsentieren.

Die Arbeitsrichtung Dendrochronologie bearbeitet über die Analyse von Hölzern Fragen der Umweltentwicklung in der Nacheiszeit mit Schwerpunkt Hochgebirgsraum. Weiters führt sie Jahrringdatierungen hauptsächlich im Bereich der Baugeschichtsforschung und der Archäologie im mittleren Ostalpenraum im Rahmen von interdisziplinären Projekten durch.

 

Zur Lebensgeschichte der Lärche aus dem Almajurtal (* 1392):

 

Was hat sich in diesem späten 14. Jahrhundert alles getan:

Es ist die Epoche des Spätmittelalters in Europa, die vor allem durch Auseinandersetzungen um kirchliche und weltliche Herrschaftsansprüche geprägt war.

 

Ereignisse und Erfindungen zu dieser Zeit:

  • Übergang von der mittelalterlichen Wärmephase zur kleinen Eiszeit
  • Entstehung des Osmanischen Reichs
  • Zwischen England und Frankreich beginnt 1337 der Hundertjährige Krieg, der 1453 endet.
  • Margarete Maultasch überschrieb 1363 Tirol an die Habsburger (Herzog Rudolf IV.)
  • Ein anderes Zeitgefühl hielt Einzug in die Dörfer, es kam mit der Erfindung und Einführung der Turmuhren.
  • Mit der Erfindung des Spinnrades erhielten die Familien eine neue Verdienstmöglichkeit.
  • In der Geldwirtschaft wurde die Buchführung wesentlich verfeinert. Kreditbriefe und Wechsel erhielten nicht zuletzt im Hundertjährigen Krieg ihre Bedeutung.
  • Die Arabischen Zahlen beginnen, die Römischen Zahlen abzulösen; damit setzt sich die Null durch.

 

Was hat sich in dieser Zeit im Außerfern getan:

Als der kleine Lärchensämling gerade einmal aus der Erde herausspitzte, war die erste Burg Ehrenberg schon 100 Jahre alt. Das Burgensemble Ehrenberg galt als äußerst bedeutende Festung. Die Salzstraße Via Claudia führte direkt durch Reutte hindurch. Die Klause wurde als Talsperre und Zollstation benützt.

Im Jahre 1408, da war die Lärche mit 16 Jahren bereits ein kleines Bäumchen, übernahm Herzog Friedrich IV. von Österreich (Friedel mit der leeren Tasche) das Lehen Vilsegg vom Stift Kempten, belehnte aber weiterhin die Herren von Hohenegg mit der Herrschaft Vils. Erst im Jahr 1816 kam die Stadt Vils durch Beschluss beim Wiener Kongress im Tausch mit der Stadt Marktredwitz wieder zu Österreich. Im selben Jahr erfolgte die Vereinigung mit Tirol.

Im Jahr 1489, als die Lärche junge 97 Jahre alt war, erhob der Tiroler Landesfürst Erzherzog Siegmund „der Münzreiche“ am 5. Juni auf Betreiben des Pflegers von Ehrenberg, Jörg Gossenbrot, Reutte zum Markt.

 

Der Waldaufseher – ein Berufsstand mit viel Geschichte

Seit altersher waren die Bewohner Tirols auch mit dem Schicksal des Waldes eng verbunden.

Im 16. Jahrhundert erscheint in den Waldordnungen die Bezeichnung „Waldhüter“. Damals war die Jahrhundertlärche aus dem Almajurtal bereits an die 200 Jahre alt

Mit der Gubernial-Verordnung vom 10. Februar 1823 wurde die Instruktion für Waldaufseher erlassen, die dann während 125 Jahren bis 1948 Gültigkeit behielt. Der Waldaufseher hatte die seiner Obhut anvertrauten Wälder nach besten Kräften zu überwachen und auf diese Weise zu sorgen, dass sie in gutem Zustand erhalten werden. Die alte Lärche aus dem Außerfern war jetzt schon über 430 Jahre alt.

Der erste Waldaufseherkurs, der von 21 Teilnehmern besucht wurde, fand im Jahr 1882 an der Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Rotholz statt. Der Leiter dieses Kurses war k. u. k. Forstinspektionskommissar Jakob Maresch. Damals konnte die Lärche bereits stolze 490 Jahrringe aufweisen.

 

608 Jahre können wohl einiges erzählen!

 

 

 Vereinigung der Waldaufseher
und Forstwarte Tirols